Mafia-Kontakte, EU-Subventionsbetrug, Vernichtung von Beweismitteln – schwere Vorwürfe erhoben V-Leute im Verfahren um die Windreich-Pleite gegen einen Berater des Firmenchefs. Dran war offenbar nichts, doch die Justiz schützt ihre Informanten beharrlich. Warum nur?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt (LKA) geraten wegen des Einsatzes von V-Leuten in einem Wirtschaftsstrafverfahren in die Kritik. In den Ermittlungen um die Insolvenz der Firma Windreich, die im Januar zur Anklage wegen Insolvenz- und anderen Delikten gegen acht Personen geführt hatten, stützten sie sich auch auf zwei bisher unbekannte Informanten. Im Schutz der ihnen zugesagten Vertraulichkeit hatten diese massive Vorwürfe erhoben, insbesondere gegen einen Berater des früheren Windreich-Chefs Willi Balz.

 

Dieser habe enge Kontakte zur Mafia, sei an einem versuchten EU-Subventionsbetrug beteiligt und habe Beweismittel vernichtet, gaben sie zu Protokoll. Der Berater weist dies als frei erfunden und verleumderisch zurück. Laut Staatsanwaltschaft haben die Aussagen „bei der Anklage keine Rolle gespielt“; es handele sich lediglich um „Schlussfolgerungen und Wertungen“. Mit dieser Begründung weigert sie sich, die Identität der Spitzel preiszugeben – was bei Falschaussagen möglich wäre.

„Spekulationen Tür und Tor geöffnet“

Die Verteidigerin des Windreich-Gründers Balz, Ulrike Paul, zeigte sich über den Vorgang empört. Die V-Leute seien auch gegen ihren Mandanten eingesetzt worden und hätten „teilweise haarsträubende Aussagen“ gemacht. Es gebe keinen Grund und sei „absolut ungewöhnlich“, in einem solchen Wirtschaftsverfahren auf V-Leute zu setzen. Dies bestätigen auch andere Anwälte. Üblich sind Spitzel etwa im Bereich der Drogen- oder Bandenkriminalität. Es öffne „Spekulationen über die wahre Identität der V-Leute Tür und Tor“, dass die Staatsanwaltschaft sie „mit allen Mitteln“ schütze, sagte Paul. Nach StZ-Informationen wird vermutet, dass es sich um Akteure mit eigenen wirtschaftlichen Interessen handeln könnte. Willi Balz sprach von einer „Hetzjagd“ und von „Intrigen“; man werde die „haltlosen Vorwürfe“ der Anklage widerlegen. Auch die anderen Beschuldigten, darunter der Ex-Minister Walter Döring, weisen die Anklagevorwürfe zurück.

Das Landgericht hat noch nicht entschieden, ob es zum Prozess kommt. Die mehr als 500 Seiten umfassende Anklage geht von einem Schaden in Millionenhöhe aus. Mit den „erheblichen Schadensummen“ begründet die Justiz den Einsatz der V-Leute. Der Berater von Balz, der nicht genannt werden möchte, hat alles unternommen, um deren Identität zu erfahren. Er will sich gegen weitere Verleumdungen wehren und die Urheber zur Rechenschaft ziehen. Eine Strafanzeige wies die Staatsanwaltschaft jedoch ab, weil es sich nicht um „Tatsachenbehauptungen“ handele.

Die beiden Vertrauenspersonen, die als VP1 und VP2 geführt werden, hatten sich 2013 ans LKA gewandt; kurz danach kam es zu einer Durchsuchung bei dem Berater. Wie oft V-Leute in Wirtschaftsverfahren und insgesamt eingesetzt werden, möchten die Ermittler nicht verraten, „aus Gründen einer effektiven Strafverfolgung“.