Keramiktag und Hochzeitsmesse, Bewahrung und Vermarktung: Stephan Hurst, der Hüter des Residenzschlosses, erklärt, wie er das mehr als 300 Jahre alte Gebäude vermarkten und beschützen will. Dabei gibt es mehr zu beachten, als man gemeinhin denkt.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Bei Nacht mag Stephan Hurst das Residenzschloss besonders. Wegen der speziellen Atmosphäre. Ein Schlossgespenst ist ihm bei seinen Gängen durch die 452 Zimmer angeblich noch nicht begegnet, der Schlossverwalter hält sich aber ohnehin an den Zeitgeist. Im Interview spricht Stephan Hurst über den Zwiespalt seines Jobs, über den Diebstahl aus der Schlosskasse – und darüber, was für ihn tabu ist.

 
Herr Hurst, diese Woche wurde der ehemalige Chef der Schlosswache, der bei Ihrem Sicherheitsdienst gearbeitet hat, verurteilt. Er soll 16 000 Euro aus der Kasse entwendet haben. Vor Gericht wurde dem Schloss ein zu laxer Umgang mit Kontrollen vorgeworfen. Was werden Sie ändern?
Wir führen weiterhin unregelmäßige Kontrollen in Stichproben durch. Die Hauptverantwortung für die Eintrittsgelder liegt aber nicht bei uns, sondern beim Sicherheitsdienst, den wir an eine externe Firma ausgelagert haben. Nicht wir haben den Schaden, sondern der Dienst, der uns sofort das fehlende Geld erstattet hat.
Wieso haben Sie nach dem Vorfall nicht den Anbieter gewechselt?
Über diesen Dienst beschäftigen wir rund 60 Mitarbeiter, die für die gesamte Sicherheit im Schloss und bei Großveranstaltungen sorgen. Das machen sie sehr gut. Wir schmeißen auch einen Korb Äpfel nicht weg, nur weil einer faulig ist. Jeder hat mal Pech bei der Mitarbeiterwahl.
Glück haben Touristen: In Baden-Württemberg gibt es mehr als 60 Schlösser – warum sollten sie das Residenzschloss auswählen?
Die Antwort ist einfach: Nirgends können Sie das sehen, was Sie hier in sehen können. Das Schloss ist im Originalzustand, sowohl äußerlich als auch innerlich. Hier gibt es Räume, die Sie in anderen Schlössern nicht ansatzweise sehen. Hinzu kommen unsere hochkarätigen Museen, und denken Sie nur an das original ausgestattete Apartment von Carl Eugen und unsere sehr hochwertige Barockgalerie. Außerdem haben wir gleich nebenan das Blühende Barock, und über Straße liegt gleich die historische Innenstadt. Man kann es nicht anders sagen: Ludwigsburg ist ein Highlight, nicht nur in Baden-Württemberg.
Trotzdem denken die meisten Touristen, wenn sie an ein Schloss denken, an Heidelberg. Ärgert Sie das?
Nein, das ist nachvollziehbar. Heidelberg lebt von seinem internationalen Renommee. Und wir arbeiten ja daran, dass Ludwigsburg immer bekannter wird. Unser großes Ziel ist es, die Menschen in einen Erstkontakt mit dem Residenzschloss zu bringen. Besucher, die einmal bei uns waren, sind begeistert.
Deshalb haben Sie keine Berührungsängste gehabt, als im November die protzige Auto-Sendung „The Grand Tour“ aufgezeichnet wurde?
Genau! Diese Show machte nur in vier Ländern in Europa Halt – dass sie, wenn sie in Deutschland ist, nicht in München oder Hamburg aufgezeichnet wird, war mir wichtig. Hier ist die Auto-Region, hier sind Mercedes und Porsche zuhause, der Wohlstand des Großraums Stuttgart gründet auf dem Erfolg der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. Und selbstverständlich konnten wir mit dem Residenzschloss eine fantastische Kulisse für die Dreharbeiten bieten.
Schade, dass die Zuschauer nicht erfahren haben, dass die Sendung in Ludwigsburg spielte, oder?
Dass der Name Ludwigsburg bei diesem Format nicht ganz so oft gefallen ist, ist natürlich sehr bedauerlich. Andererseits ist es auch verständlich. Auf der internationalen Landkarte ist Ludwigsburg nicht so präsent. Die Stadt, die mit dem Auto assoziiert wird, ist Stuttgart.
Beim Elektro-Tanz-Festival „Electrique Baroque“ im vergangenen September haben 6000 junge Menschen im Schlosshof gefeiert. Ist das die Art von Werbung, die Ihnen für das Schloss vorschwebt?
Wir versuchen, möglichst viele Menschen für Ludwigsburg zu begeistern. Das „Electrique Baroque“-Festival ist ein Baustein in unserem Programm. Wenn wir es so schaffen, junge Leute ins Schloss zu bringen, sind wir zufrieden. Der Erstkontakt ist besonders wichtig. Und die 6000 Besucher haben uns sehr zufrieden gestimmt.
Was ist dem Schloss – schaden ihm die heftigen Bässe nicht?
Die Frage haben wir uns unglaublich oft gestellt. Das ist ja der Zwiespalt, in dem ein Schlossverwalter steckt: Einerseits will er sein Haus öffnen und vermarkten, andererseits muss er die Substanz erhalten. Wenn wir Konzerte machten, die die Substanz nachhaltig gefährden, würden wir uns einen Bärendienst erweisen. Deshalb haben wir im Vorfeld des Festivals das Fraunhofer Institut in Stuttgart beauftragt. Die Experten haben untersucht, ob diese Musik, speziell die Bässe, dem Schloss Schaden zufügen. Sie haben in Absprache mit unseren Konservatoren ganz viele Tests gemacht, an der Fassade, an den Kronleuchtern und vielen anderen Stellen. Das Ergebnis war, dass diese Konzerte mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit unkritisch für das Schloss sind.
Das Festival wird also wieder stattfinden?
Ja. Wir wollen es so etablieren, wie sich die „KSK-Music-Open“ etabliert haben.
Zum ersten Mal findet bei Ihnen nun auch eine Hochzeitsmesse statt. Solche Messen gibt es inzwischen fast in jedem Dorf, Ludwigsburg hat sogar schon eine. Ist Ihre Idee nicht etwas abgedroschen?
Das war nicht meine Idee, sondern die eines externen Veranstalters. Das Thema Hochzeit passt sehr gut zum Schloss. Im vergangenen Jahr haben fast 800 Paare hier Hochzeitsbilder gemacht, 150 haben sich in unserer Schlosskirche trauen lassen, und sehr, sehr viele Frischvermählte haben ihre Hochzeit im Schloss gefeiert. Deshalb habe ich Ja gesagt, als der Veranstalter auf mich zukam. Wenn ich den Rahmen passend finde, dann bin ich gerne bereit, etwas auszuprobieren.
Sie hätten im Winter auch gerne eine Eisbahn mit Almhütte im Schlosshof ausprobiert. Sagen Sie bloß, das Schloss bietet auch dafür den passenden Rahmen?
Das Wort Almhütte war falsch gewählt. Da assoziiert man Après-Ski, also betrunkene Leute, die über die Stränge schlagen. Aber so wäre das nicht gedacht gewesen. Das hätten wir nicht gewollt und der Veranstalter auch nicht.
Im ersten Anlauf gab es für das Winterspektakel dann auch keine Genehmigung. Planen Sie einen zweiten Anlauf?
Wir führen Gespräche, ob es was wird, kann ich noch nicht sagen. Aber ich halte eine Ergänzung zum Weihnachtsmarkt in der Innenstadt nach wie vor für eine gute Sache. Letztes Jahr hat der zeitliche Vorlauf nicht gestimmt. Wir hätten uns mehr Zeit nehmen und das Thema kontrollierter angehen sollen.
Gibt es etwas, wofür Sie das Schloss nicht hergeben würden?
Definitiv! Es treten zum Beispiel oft Firmen an mich heran, die Werbebanner hissen oder Tafeln aufstellen würden. Das würde bestimmt schönes Geld bringen, aber das geht nicht. Dadurch würde sehr viel vom Ambiente verloren gehen.
Was ist mit Übernachtungen?
Aus meiner Sicht ist das tabu. Wir machen hier ja nichts einfach nur deshalb, damit wir etwas machen. Als ich nach Ludwigsburg gekommen bin, habe ich habe mir Zeit genommen, alles kennenzulernen. Das wurde mir ein bisschen negativ ausgelegt, weil ich nicht gleich mit Aktionen von mir reden gemacht habe. Aber ich meine, bevor man in die konzeptionelle Planung einsteigt, muss man sein Schloss in- und auswendig kennen.
Vor fünf Jahren hat Ihr Residenzschloss viel Publicity bekommen, weil Katja Riemann und Jan Josef Liefers hier für den „Baron Münchhausen“ spielten. Wünschen Sie sich nicht mehr solcher Produktionen?
Wir haben immer wieder Dreharbeiten im Schloss. Im letzten Monat zum Beispiel ist bei uns die „Dreigroschenoper“ neu verfilmt worden. Das waren zwar nur drei Tage, aber solche Gastspiele gibt es immer wieder, das ist Alltagsgeschäft. So ein Projekt wie der „Münchhausen“ ist eine tolle Sache, aber so etwas kommt einmal in zehn Jahren.
Sie könnten eine Filmnacht veranstalten und alle Filme zeigen, in denen das Schloss eine Rolle spielte.
Stimmt! Wir könnten „Angelique – Das unbezähmbare Herz“ zeigen und „Reserl am Hofe“, Stanley Kubrick war ja auch mal hier, und Matthias Schweighöfer spielte den Schiller. Da wäre für jeden was dabei. Das ist eine gute Idee.

Viel Arbeit, viel Programm, gute Zahlen

Stephan Hurst ist 39 Jahre und seit September 2013 der Verwalter des Ludwigsburger Residenzschlosses. Sein Vorgänger war Ulrich Krüger. Unter der Aufsicht des Immobilienmanagers, der zuvor das Schloss Rastatt betreute, sind auch die Grabkapelle auf dem Rotenberg, das Kloster Lorch, die Burgen Hohenstaufen und Wäscherschloss, das Favorite in Ludwigsburg sowie die Solitude.

Im vergangenen Jahr wurden im Residenzschloss 330 000 Besucher gezählt. Das waren 55 000 mehr als im Jahr zuvor. Und sogar 15 000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2004.

Am Wochenende, 29. und 30. April, findet im Innenhof des Schlosses eine Hochzeitsmesse statt. Am Sonntag, 7. Mai, ist ein Keramiktag geplant. Von 10 bis 17 Uhr ist das Keramikmuseum geöffnet, der Künstler Kenji Fujiwaki leitet Workshops, und es gibt Restposten der Porzellanmanufaktur.