Während der Internationalen Grünen Woche stellt Agrarminister Christian Schmidt (CSU) ein neues Fleischlabel vor. Was unterscheidet dieses von anderen Siegeln und woran erkennt man gutes Fleisch eigentlich?

Berlin - Während der Internationalen Grünen Woche stellt Agrarminister Christian Schmidt (CSU) ein neues Fleischlabel vor. Das staatliche Siegel soll einen höheren Tierwohl-Standard garantieren.

 

Zahlreiche Tierwohl-Siegel sind bereits im Umlauf. Aus welchem Grund soll nun noch ein neues, staatliches, hinzukommen?

Dass bereits viele verschiedene Siegel in der Lebensmittelbranche existieren, ist richtig. Bisherige Tierschutz-Siegel für Wurst oder Fleisch sind allerdings kaum bekannt, wie der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, bestätigt. Er erhofft sich vom neuen Label mehr Orientierung für die Kunden: „Das wäre ein großer Schritt nach vorne für mehr Klarheit und vielleicht höhere Preise für die Landwirte.“ Aufgrund der geringen Bekanntheit aktueller Label sei für viele Verbraucher noch der Preis das ausschlaggebende Kaufkriterium.

Wie stehen die Bauern zu dem neuen Label?
Der Bauernverband unterstützt das Label, legt zugleich aber Wert darauf, dass die 2015 gestartete Iniative Tierwohl nicht gefährdet wird. Bei der Initiative erhalten freiwillig teilnehmende Bauern für Zusatzleistungen wie mehr Platz im Stall Geld aus einem Fonds, in den Handelsketten einzahlen.
Wie soll das Siegel aussehen?
Geplant ist ein zweistufiges Modell mit einer Basiskategorie für Fleisch von Tieren, deren Haltungsbedingungen über dem gesetzlichen Standard liegen, sowie einer Premiumstufe für höhere Anforderungen. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) will die Grundprinzipien für das neue sechseckige Staatslabel mit dem Titel „Mehr Tierwohl“ noch bis Ostern festlegen, von 2018 an soll Fleischware mit dem Siegel „an der Ladentheke“ erhältlich sein. Das Mitmachen der Landwirte ist freiwillig. Schmidt berichtete, dass die Mitmachquote der Nutztierhalter bei ähnlichen Siegeln in anderen Ländern bei 40 bis 50 Prozent liege. Zunächst sollen Kriterien für eine bessere Schweinehaltung entwickelt werden, später geht es um Geflügel. Vorbild könnten die Haltungsbedingungen der Inititative Tierwohl sein.
Gibt es Kritik an dem geplanten Label?
Der Vorsitzende der Länderagrarminister, Christian Meyer (Grüne) aus Niedersachsen, hatte bereits vor der Vorstellung des geplant Labels eine verpflichtende Kennzeichnung verlangt. Bei einem freiwilligen Label bestehe die Gefahr, dass es untergehe oder kaum genutzt werde. Vorbild könnte die vierstufige Pflichtkennzeichnung bei Eiern sein. Auch Greenpeace-Agrarexpertin Stephanie Töwe kritisierte die freiwillige Teilnahme an dem Label. „Freiwillig werden die Massentierhalter die unerträglichen Zustände in deutschen Großställen nicht verbessern“, so Töwe. „Landwirtschaftsminister Schmidt gaukelt den Verbrauchern mit dem Label eine Lösung nur vor.“ Eine Verbesserung für Tiere und Verbraucher brächte einzig eine verpflichtende Kennzeichnung, die sich am Tierschutzgesetz orientiere.
Worüber informieren Fleischlabel überhaupt?
Die verschiedenen Siegel haben unterschiedliche Ansätze. Während einige – etwa die Bio-Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter – vor allem Wert auf eine artgerechte Tierhaltung legen, steht bei anderen – wie DLG und QS – der Produktionsvorgang oder die Qualität des fertigen Lebensmittels im Vordergrund. Prämiert werden können dabei auch Wurst- und Fleischwaren, die von Tieren aus Massenhaltung stammen.
Wie wichtig ist Verbrauchern das Tierwohl?
Nach dem Ernährungsreport 2017 wäre ein Großteil der Verbraucher (88 Prozent) bereit dazu, einen höheren Preis für Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung zu zahlen. 82 Prozent wünschen sich mehr Transparenz – etwa durch Siegel oder Label. Artgerechte Tierhaltung ist Frauen (rund 50 Prozent) dabei wichtiger als Männern (40 Prozent). Für den Ernährungsreport ließ das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft rund 1000 Bürger ab 14 Jahren zu Ess- und Einkaufsgewohnheiten befragen.
Welche Rolle spielt Fleisch für die Deutschen?
Fleisch ist nach dem Ernährungsreport 2017 die Leibspeise der Deutschen: 53 Prozent der Verbraucher hierzulande essen am liebsten Fleischgerichte. Das schlägt sich auch auf den Konsum nieder: Rund 60 Kilogramm Fleisch verspeist jeder Bundesbürger pro Jahr im Schnitt. Im Laufe eines Lebens macht das geschätzt 1094 Tiere: vier Rinder, vier Schafe, zwölf Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner, so der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Würden alle Deutschen einmal pro Woche einen Tag lang auf Wurst- und Fleischwaren verzichten, würden nach einer Berechnung des Vegetarierbunds jährlich 140 Millionen Hühner, Rinder und Schweine weniger geschlachtet werden.
Woran erkennt man hochwertiges Fleisch – abgesehen von einem Label?
Wird Fleisch sehr billig verkauft, spricht das nicht für eine hohe Qualität. Eingeschweißte Waren sollte man ebenfalls meiden – denn insbesondere bei Rindfleisch, das an der Luft abhängen sollte, leidet der Geschmack. Dazu kommt der Verpackungsmüll. Regional zu kaufen ist meist nachhaltiger. Zudem werden den Tieren lange, qualvolle Transporte erspart. Der Metzger kann Auskunft darüber geben, woher die Ware stammt und unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben.