Der Deutschen Mieterbund Baden-Württemberg widmete sich auf der ersten Fachtagung des Jahres dem Thema Wohnraumzweckentfremdung.

Stuttgart - „Eigentlich ist es ja schwer zu glauben, dass Schwaben freiwillig auf Mieteinnahmen verzichten, indem sie Wohnraum vorsätzlich leerstehen lassen“, scherzt Rainer Grund, stellvertretender Leiter des Stuttgarter Baurechtsamts. Anlässlich der ersten Fachtagung des Deutschen Mieterbundes Baden-Württemberg, die am Samstag im Hotel Maritim stattfand, berichtet er über ein Thema, das aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt stark an Bedeutung gewonnen hat: die Wohnraumzweckentfremdung in der Landeshauptstadt.

 

Obwohl Stuttgart mit geschätzten 2 Prozent Leerständen im bundesweiten Vergleich gar nicht schlecht dasteht, könnte die Aktivierung dieses Wohnraums zumindest ein wenig Druck abfedern. Theoretisch kann Zweckentfremdung in der Landeshauptstadt dank einer 2016 in Kraft gesetzten Satzung mit einem Bußgeld geahndet werden. Praktisch wurde noch keine einzige Strafe verhängt. Das gilt übrigens für den gesamten Südwesten. „Das Problem ist, dass die Satzung vor allem die Gutwilligen erreicht“, gibt Grund zu verstehen.

Zwar schaffe sie in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das Problem, allerdings fehle es an repressiven Instrumenten gegenüber jenen, die sich ihrer Verantwortung entzögen. „Wer das entsprechende Geld hat, würde wahrscheinlich selbst ein Bußgeld verschmerzen“, überlegt er. „Wir bekommen die Leute aber oft gar nicht erst zu fassen.“

Wohnungen, die schon länger leer stehen, werden nicht erfasst

Im Gegensatz zu Berlin besteht in Stuttgart keine Auskunftspflicht. Wer sich beim Baurechtsamt beraten lässt, kann weitgehend anonym bleiben. Die Betreiber von Internet-Portalen für Ferienwohnungen müssen die Adressen der angebotenen Objekte und deren Inhaber nicht preisgeben. So sind Ämter auf Hinweise aus der Bevölkerung oder zufällige Beobachtungen angewiesen.

Rainer Grund sähe gern eine Ermächtigungsgrundlage für ein Gebot, das Wohnungseigentümer verpflichten würde, zumindest an die Kommune zu vermieten, die sich dann ihrerseits um Mieter kümmern würde. Der Haken: Dafür müsste das Landesrecht geändert werden.

Eine andere Unzulänglichkeit der Satzung zur Wohnraumzweckentfremdung ist die Beschränkung den Zeitraum nach Inkrafttreten der Regelung. Wohnungen, die schon länger leer stehen, werden nicht erfasst. „Das ist sicher der allergrößte Teil des betroffenen Wohnraums“, schätzt Rainer Grund und kommt zum Schluss, es gebe ein „strukturelles Problem in der gesetzlichen Grundlage“.

Auch sein Freiburger Kollege Holger Ratzel sieht die aktuelle Situation kritisch. Er spricht sich allerdings dennoch entschieden für eine Verlängerung der Satzungslaufzeit aus, die im Breisgau 2018 zur Debatte steht. Die Satzung sei zumindest ein politisches Signal. Da in Freiburg vor allem die Zweckentfremdung als Ferienwohnung ins Gewicht fällt, erwägt man dort die Erhebung einer Bettensteuer.

„Wir können nicht vor jedes fragliche Objekt einen Mitarbeiter stellen“

Auch soll die nachträgliche Genehmigung einer Umnutzung von Wohnraum deutlich verteuert werden. Belastbare Zahlen über das Ausmaß der Zweckentfremdung gibt es nicht. „Wir können nicht vor jedes fragliche Objekt einen Mitarbeiter stellen“, konstatiert Ratzel.

Die personelle Ausstattung hält Rainer Grund für ausreichend. Sofern der gesetzliche Druck auf Wohnungsinhaber erhöht werde, lasse sich das Problem durchaus in den Griff bekommen, hält er fest. Die ganz überwiegende Mehrheit vermiete und melde alles redlich. Den schwarzen Schafen aber, die Heizkörper abmontierten, um Wohnraum als unvermietbar auszugeben, gelte es das Handwerk zu legen.

Dass sich der Vortrag schnell zu einem engagierten Meinungsaustausch zwischen Besuchern und Referenten entwickelt, zeigt, wie dringend eine weitreichende Regelung notwendig wäre, die eine Zweckentfremdung noch wirkungsvoller unterbindet.